Gefährliche Darm-Herz-Verbindung

Forschende am Kantonsspital St.Gallen (KSSG) haben einen neuen Risikofaktor bei Patienten mit Herzmuskelentzündung identifiziert. Wie das renommierte Wissenschaftsmagazin Science der Amerikanischen Gesellschaft zur Förderung der Naturwissenschaften (AAAS) in der Ausgabe vom 15. November 2019 berichtet, verstärken eigentlich harmlose Darmbakterien gefährliche Entzündungsprozesse im Herz. Diese neuen Erkenntnisse ermöglichen erstmalig den Einsatz von gezielten Therapieansätzen bei dieser nicht selten tödlich verlaufenden Erkrankung.

„Herzmuskelentzündung war Todesursache“: Solche Schlagzeilen über junge Profisportler, die plötzlich zusammenbrechen und an Herzversagen sterben, richten die Aufmerksamkeit auf eine bisher nicht ursächlich behandelbare Erkrankung. Die Herzmuskelentzündung (Myokarditis) verläuft aber glücklicherweise meistens milde bis mittelschwer und kann mit Symptomen wie Kurzatmigkeit, Herzrasen und unter Umständen anhaltender körperlicher Schwäche verbunden sein. „Die krankheitsverursachenden Prozesse, die zur Herzmuskelentzündung führen, waren ungenügend erforscht. Das macht eine ursächliche Behandlung fast unmöglich“, erläutert Prof. Dr. Burkhard Ludewig, Studienleiter am Medizinischen Forschungszentrum des Kantonsspitals St.Gallen (KSSG), den Ausgangspunkt für die eben publizierte Studie. Prof. Dr. Hans Rickli, Chefarzt Kardiologie am KSSG, sieht die klinische Bedeutung des bisher nicht bekannten Zusammenhangs zwischen dem bakteriellen Milieu und der Myokarditis: „Die so erzielten neuen Erkenntnisse eröffnen erstmalig Wege für die Behandlung dieser Erkrankung durch gezielte Beeinflussung der Zusammensetzung des Darmmikrobioms. Die Arbeit wäre nicht möglich gewesen ohne die internationale Zusammenarbeit zwischen Grundlagenforschern und klinisch forschenden Ärzten aus der Kardiologie und Labormedizin.“

Die entzündliche Herzmuskelerkrankung ist eine der häufigsten Ursachen für Herzschäden bei Patienten mit Verdacht auf Myokardinfarkt, die sich im Frühstadium ähnlich äussern wie ein Herzinfarkt. Dauerhafte (chronische) Myokarditis kann zu Herzversagen führen. Die St. Galler Forschergruppe hat gezeigt, dass die Zusammensetzung der Darmbakterien eine wichtige Rolle in der Ausbildung der Myokarditis und der damit verbundenen Herzschwäche spielt. An sich harmlose Darmbakterien können Immunzellen umprogrammieren und damit einen Angriff auf Herzzellen fördern. Sogenannte T-Helferzellen erkennen Bauteile der Darmbakterien, die bestimmten Strukturelementen der Herzzellen sehr ähnlich sind und dadurch aktiviert werden. Die St. Galler Forscher konnten die Konsequenzen einer solchen Kreuzreaktivität in präklinischen Studien mit Mäusen aufzeigen. In Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der ETH Zürich und der Universität Calgary in Kanada wurde zudem die Verbindung zwischen der genetischen Ausstattung der Bakterien und der Herzmuskelentzündung geklärt. In breit angelegten zusätzlichen Untersuchungen bei Myokarditispatienten konnten die Zusammenhänge zwischen Darmmikrobiom und genetischer Prädisposition bestätigt werden.

„In einem nächsten Schritt gilt es zu zeigen, dass mit einer gezielten Veränderung des Darmmilieus bei Patientinnen und Patienten mit Myokarditis die schwerwiegenden Folgen der Myokarditis verhindert oder zumindest gelindert werden könnten“, schildert Prof. Ludewig die zukünftigen Pläne für die mögliche Umsetzung der Studienergebnisse in den Klinikalltag.

 

Pathogenese Myokarditis