St.Galler Programm Weiterbildung in Hausarztmedizin

Der Kanton St.Gallen fördert seit 2008 die Weiterbildung in Hausarztmedizin. Das Zentrum für Hausarztmedizin ist für die Umsetzung und Administration verantwortlich. Das Programm richtet sich an Ärztinnen und Ärzte, welche das Berufsziel «Hausarzt» im Auge haben und die allgemeininternistische Basisweiterbildung von drei Jahren als Grundlage mitbringen. Es basiert auf drei Komponenten:

Praxisassistenz

Die Praxisassistenz ist die Weiterbildung in Hausarztmedizin schlechthin. Hausarztmedizin ist Praxisassistenz. Den Praxisassistentinnen und Assistenten werden im Praxisalltag hausärztliches Wissen und Können vermittelt und in die Besonderheiten einer Hausarztpraxis eingeführt. Die Praxisassistenz gibt insbesondere Einblick

                       - in das hausärztliche Spektrum von Krankheiten und
                          Befindlichkeitsstörungen
                       - 
in Frühstadien von Krankheiten
                       - 
in die spezielle Arbeitsmethodik und Denkweise
                          der Hausarztpraxis.

Sie macht mit einem ungefilterten Krankengut bekannt und ermöglicht das Beobachten von Krankheitsverläufen und Langzeitverläufen.
Der Praxisassistent/die Praxisassistentin behandelt die Patienten in ihrem eigenen Lebensbereich und erlernt Wege zum rationellen und wirtschaftlichen Arbeiten. Er/Sie wird befähigt, eigene Entscheidungen in der Sprechstundensituation zu treffen. 

Wo wird die Praxisassistenz absolviert?

Sie wird bei einem Lehrpraktiker/Lehrpraktikerin in einer Hausarztpraxis im Kanton St.Gallen absolviert. Der Typus der Hausarztpraxis (Einzelpraxis/Gruppenpraxis, Stadt/Land etc.) und die Lehrärztin oder den Lehrarzt wählt die Praxisassistenzärztin/ der Praxisassistenzarzt selbst aus. Die Hausarztpraxis ist eine SIWF anerkannte Weiterbildungsstätte und wird in der Weiterbildung zum Facharzt Allgemeine Innere Medizin für 12 Monate anerkannt.

 Praxisassistenz: die Modalitäten

Die Praxisassistenz dauert 6 Monate zu 100%.
Es bestehen folgende Teilzeitmöglichkeiten: 10 Monate zu 60%, 8 Monate zu 80% und 12 Monate zu 50% nach Absprache mit der Lehrpraxis. Die Praxisassistenzärztin/ der Praxisassistenzarzt ist während seiner Praxisassistenz als Assistenzarzt/ Assistenzärztin formal an der Klinik für Allgemeine Innere Medizin des Kantonsspitals St.Gallen angestellt. 
Der Lohnanspruch richtet sich nach der schon absolvierten Weiterbildungszeit. Voraussetzung sind das eidgenössische Staatsexamen respektive eine MEBEKO-Anerkennung eines ausländischen Abschlusses. Grundsätzlich sollen bis zum Beginn der Praxisassistenz 3 Jahre klinische Vorbildung vorhanden sein, davon mindestens 1 Jahr Allgemeine Innere Medizin.

Bei Interesse an einer Praxisassistenz wenden Sie sich an das Sekretariat Hausarztmedizin für einen persönlichen Besprechungstermin.

Die anerkannten Lehrpraxen finden Sie über das Weiterbildungsstättenregister des SIWF: 

                                     Register der zertifizierten Weiterbildungsstätten SIWF

Curriculum

Die angehenden Hausärztinnen oder Hausärzte sollen sich in den gewählten Fachgebieten jene Kompetenzen und Fähigkeiten aneignen, welche für die Hausarztmedizin relevant sind und welche in der hausärztlichen Tätigkeit kompetent und eigenverantwortlich eingesetzt werden können. Es geht um das Erlernen von Fähigkeiten und das Erwerben von Kompetenzen. Ziel ist, die medizinische Breitenkompetenz, welches ein fachliches Merkmal der Hausarztmedizin darstellt, zu erhalten und zu fördern. Die Module sind speziell auf die hausärztliche Tätigkeit ausgelegt und werden vorzugsweise in den Sprechstunden, Ambulatorien des Kantonsspitals St.Gallen/Ostschweizer Kinderspitals oder in Arztpraxen angeboten.

 Curriculumstellen:

  • Otorhinolaryngologie
  • Ophthalmologie
  • Dermatologie
  • Gastroenterologie/Sonographie
  • Orthopädie
  • Chirurgie
  • Neurologie
  • Psychiatrie
  • Psychosomatik
  • Radiologie
  • Rheumatologie
  • Muskuloskelettale Rehabilitation
  • Pädiatrie
  • Notfallmedizin/Notfallpraxis KSSG als "Praxisassistenz"
  • Onkologie, speziell onkologisch integrative Medizin
  • Infektiologie
  • Urologie
  • Anästhesiologie

Curriculum: die Modalitäten

Die Module können im Rahmen der Verfügbarkeit frei gewählt und kombiniert werden.

Ein Modul entspricht 6 Monaten zu 100%. Teilweise können Module auch zu 50% über 12 Monate, zu 60% über 10 Monate und zu 80% über 8 Monate absolviert werden. Es können 1 bis max. 3 Module belegt werden.

Während des Curriculums sind Sie formal an der Klinik für Allgemeine Innere Medizin/Hausarztmedizin des Kantonsspitals St. Gallen zu den üblichen Konditionen (inkl. üblicher Lohn nach Weiterbildungszeit) angestellt.

Voraussetzung für die Teilnahme am Curriculum ist ein eidgenössisches Diplom in Humanmedizin (Staatsexamen) resp. ein durch die MEBEKO anerkanntes ausländische Diplom und eine vollendete Basisweiterbildung in Allgemeiner Innerer Medizin (mind. 3 Jahre) und die geplante Niederlassung als Hausarzt im Kanton. 

Bei Interesse am Curriculum wenden Sie sich an das Sekretariat Hausarztmedizin für einen persönlichen Besprechungstermin.

Laufbahnberatung

Ein wesentliches Merkmal des St.Galler-Programms ist die individuelle Laufbahnberatung und Betreuung. Es ist uns sehr wichtig, dass Sie eine hausärztliche Weiterbildung durchlaufen, welche auf Ihre Bedürfnisse und Vorstellungen sowie auf Ihre Lebensentwürfe abgestimmt ist. In einem persönlichen Gespräch mit dem Leiter Zentrum für Hausarztmedizin soll eine individuelle, massgeschneiderte Weiterbildung entwickelt werden, welche die spätere Tätigkeit als Hausarzt optimal vorbereitet.

Lehrarzttätigkeit

Sie sind ein erfahrener Facharzt für Allgemeine Innere Medizin oder Kinder- und Jugendmedizin und möchten sich in der Weiterbildung engagieren? Dann sind Sie hier richtig.

Was ist die Tätigkeit des Lehrarztes?

Der Grossteil der Weiterbildung der zukünftigen Hausärzte findet an Weiterbildungsstellen an den Spitälern statt. Hausarztmedizin im engeren Sinne kann aber nur in der ambulanten Praxis erfahren, gelehrt und gelernt werden. Aus diesem Grund sind in den Weiterbildungsprogrammen zum Facharzt Allgemeine Innere Medizin sowie Kinder- und Jugendmedizin ambulante Weiterbildungsperioden vorgeschrieben.

Der Lehrarzt führt den Assistenzarzt in die medizinischen und organisatorischen Aspekte der ambulanten hausärztlichen Medizin ein und begleitet ihn durch verschiedene Supervisionsstufen durch die Praxisassistenz in seiner Praxis.

Anforderungen an Lehrärzte

Im Vordergrund liegt das Interesse und die Freude am Beruf und an deren Weitergabe an einen jungen Kollegen. Die Praxis muss folgende grundlegende Eigenschaften aufweisen:

  • der Lehrarzt führt seine Praxis seit mindestens einem Jahren
  • er hat einen Lehrarztkurs der Stiftung WHM absolviert (oder weist eine mindestens zweijährige Weiterbildungstätigkeit als Kaderarzt in einer Weiterbildungsstätte nach)
  • er führt 70 bis 150 Konsultationen pro Wochen durch
  • der Assistenzarzt muss über einen eigenen Konsultationsraum und Arbeitsplatz verfügen

Einzelheiten sind im Weiterbildungsprogramm für den Facharzt für Allgemeine Innere Medizin resp. Kinder- und Jugendmedizin im Kapitel 5 zu finden

                                  Weiterbildungsprogramm AIM SIWF

 

Einführungskurse für Lehrärzte

Die Einführungskurse für Lehrärzte werden durch die Stiftung zur Förderung der Weiterbildung in Hausarztmedizin WHM-FMF durchgeführt. Sie dauern von Freitagmittag bis Samstagmittag und finden monatlich statt. Sie sind auch dann sehr empfehlenswert, wenn man bereits eine über zweijährige Tätigkeit als Kaderarzt einer Weiterbildungsstätte mitbringt.

                                   Lehrarztkurse der Stiftung WHM

 

SIWF-Anerkennung der Praxis als Lehrpraxis

Bei Erfüllung der Anforderungen und nach Absolvierung des Einführungskurses ist die Anerkennung der Praxis als Weiterbildungsstätte beim schweizerischen Institut für Weiter- und Fortbildung SIWF zu beantragen.

                                    Anerkennung Arztpraxen SIWF

Nach erfolgter Anerkennung können Sie uns einen Praxis-Steckbrief für den Katalog zu Handen der Assistenzärztinnen und -Ärzte zustellen.

 

Anstellung des Assistenzarztes/Finanzieller Beitrag der Lehrärzte

Während der Praxisassistenz ist der Assistenzarzt am Kantonsspital St. Gallen zu den üblichen Bedingungen für Assistenzärzte angestellt und formal mittels Vereinbarung in die Praxis entsandt. Das Kantonsspital St.Gallen schliesst für jede Praxisassistenz eine Vereinbarung mit dem Lehrarzt ab. Damit ist der Lehrarzt von Administration weitgehend entlastet. Er beteiligt sich mit 2000 Fr. pro Monat an den Lohnkosten, der Grossteil der Lohnkosten übernimmt somit der Kanton.

 

Häufig gestellte Fragen

Beantwortet von Dr. Simon Graf, Verantwortlicher für das St.Galler Programm:

Womit besticht das St.Galler Programm Weiterbildung in Hausarztmedizin?

Das St.Galler Programm ist ein persönliches Programm auf universitärem Niveau – und doch in einem familiären Umfeld –, das individuell auf die Bedürfnisse und Lebenssituationen der angehenden Hausärztinnen und Hausärzte eingeht. Es umfasst die Praxisassistenz und das Curriculum.

Vorteile einer Praxisassistenz im Kanton St.Gallen?

Die Praxisassistenz ist DIE Weiterbildung in Hausarztmedizin schlechthin. Dabei wird im Praxisalltag hausärztliches Wissen und Können vermittelt und in die Besonderheiten der Hausarztmedizin eigeführt. Im Kanton St.Gallen stehen über 90 vom SIWF anerkannte Lehrärzte und Lehrärztinnen zur Auswahl. Während der Praxisassistenz ist man formal als Assistenzärztin resp. Assistenzarzt an der Klinik für Allgemein Innere Medizin des Kantonsspitals St.Gallen angestellt. Das bringt Vorteile einer Festanstellung (bspw. AHV, Unfallversicherung, etc.) mit sich und hält den persönlichen administrativen Aufwand klein.

Gründe für ein Curriculum in St.Gallen?

Das Curriculum im Kanton St.Gallen ist sehr breit gefächert. Neben Kliniken des Kantonsspitals arbeiten wir auch mit dem Ostschweizer Kinderspital, der Psychiatrie St.Gallen Nord, den Kliniken Valens und Spezialarzt-Praxen zusammen, um das Angebot breit und attraktiv zu gestalten. Das Curriculum ist speziell für die hausärztlichen Tätigkeiten ausgelegt und wird vorzugsweise in den Sprechstunden, Ambulatorien und in fachärztlichen Notfallaufnahmen angeboten. Angehende Hausärztinnen und Hausärzte können individuell und auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten planen. Sie haben die Möglichkeit, sich in den gewählten Fachgebieten jene Kompetenzen und Fähigkeiten anzueignen, die für sie relevant sind und für die Ausübung in der hausärztlichen Tätigkeit kompetent und eigenverantwortlich eingesetzt werden können. Es können bis zu drei Curriculum-Module absolviert werden. Das St.Galler Curriculum – wie auch die Praxisassistenz – stehen auch zukünftigen Hausärztinnen und Hausärzten der Kantone Appenzell Ausserrhoden und Innerrhoden zur Verfügung

Ist ein Curriculum auf Teilzeitbasis möglich?

Curriculum wie auch die Praxisassistenz können Sie in Teilzeit absolvieren:

Pensum 50% - Moduldauer 12 Monate
Pensum 60% - Moduldauer 10 Monate
Pensum 80% - Moduldauer 8 Monate
Pensum 100% - Moduldauer 6 Monate

Gibt es den «perfekten Weg» zur Hausarztmedizin?

Wichtig ist, das Ziel vor Augen zu haben. Dabei sollte man aber nicht mit dem Kopf durch die Wand. Eine gewisse Offenheit und Flexibilität hilft. Karrieren werden zumeist nicht im Studium bereits fix geplant, in der Regel sieht man erst während der praktischen Tätigkeit, in welchem Bereich man sich wohl fühlt. Das Alter für die Erlangung des Facharzttitels ist grundsätzlich nicht so wichtig, der Weg ist Teil des Zieles. Und manchmal sind auch «Umwege» gute Wege. Um bestmöglich als Hausarztmediziner gerüstet zu sein, lautet meine Empfehlung, anfänglich sechs bis zwölf Monate in der Chirurgie zu arbeiten. Diese Erfahrungen sind sehr nützlich. Danach sind zweieinhalb bis drei Jahre in der stationären Allgemeinen Inneren Medizin unabdingbar. Und dann der Einstieg in das Curriculum mit Praxisassistenz. Ein Rezept für den perfekten Weg gibt es nicht. Wichtig ist, sich auch auf Gefühl und Intuition zu verlassen.

Was erwartet mich in der Laufbahnberatung?

Ein grosser Vorteil des St.Galler Programms ist die individuelle Laufbahnberatung. Wir nehmen uns viel Zeit für angehende Hausarztmediziner und beraten sie ausführlich. Uns ist es wichtig, bereits bei Start der Weiterbildung eine persönliche Beziehung aufzubauen, Möglichkeiten gemeinsam anzuschauen und dabei individuell zu coachen.