Leben mit ALS

Die Diagnose ALS verändert den Alltag von Betroffenen spürbar. Wir geben unser Bestes, um die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten so gut wie möglich aufrecht zu erhalten. Erfahren Sie in den folgenden Abschnitten, welche Aspekte dazu beitragen.

Pflegeberatung

Pflegeberatung bei Amyotropher Lateralsklerose (ALS)

Der Grossteil der Herausforderungen bei Amyotropher Lateralsklerose ist pflegerischer Natur. Deshalb ist es sehr wichtig, dass Ärzteschaft, Pflegefachpersonen, Therapeuten und die Seelsorge eng und interprofessionell zusammenarbeiten.

Natürlich muss auch die betroffene Person bereit zur Kooperation sein, eigene Ressourcen erkennen um zusammen mit dem eigenen Umfeld (pflegende Familie oder Freunde) eine Strategie zur Bewältigung dieser schwierigen Situation zu erarbeiten. Dies erfordert Kraft, Mut, Organisationsfähigkeit und ein gewisses Mass an Kreativität.

Das Muskelzentrum bietet hier Unterstützung, Schulung und Begleitung an.

Folgende Aspekte werden unter anderem besprochen:

1. Psychosoziale Situation

  • Zunehmende Hilflosigkeit, Hilfsbedürftigkeit/Abhängigkeit
  • Eigene Arbeitsunfähigkeit und unter Umständen die des Partners, Invalidität, Wohnungswechsel oder bauliche Anpassungen
  • Notwendigkeit von Betroffenen und ihrem Umfeld, Anpassungsleistungen zu erbringen z. B. im Familienleben, im gesellschaftlichen Bereich, bei der Arbeit, in der Freizeitgestaltung, im finanziellen Bereich
  • Erleben der vorzeitigen eigenen Endlichkeit, u. U. Depression, Suizidgedanken, je nach Erkrankungsart zunehmende Unfähigkeit sich auszudrücken und mitzuteilen, eingeschränkte Kommunikation
  • Gefahr der Isolation der betroffenen Person und der Familie/Freunde durch fortschreitenden Krankheitsverlauf
  • Finden von Sinn, Aufgaben

2. Pflegerische Situation

Es ist uns wichtig zu erkennen, in welcher Situation sich Betroffene befinden und welche Prioritäten gesetzt werden sollten, um die Lebensqualität von Erkrankten und ihrem Umfeld zu verbessern.

Folgende Punkte versuchen wir dabei zu berücksichtigen

  • Planung und Organisation der Pflege
  • Unterstützung im Erkennen der am besten geeigneten Pflegevariante
  • Grenzen wahrnehmen und akzeptieren lernen, auch die der Angehörigen
  • Hilfsmittelanpassungen/-änderungen einleiten 
  • Unterstützung in der Ausarbeitung von Patientenverfügungen
  • Festlegen der Palliative Care unter Einbezug der Familie, Hausärztin/-arzt, Spitex- oder Hospizdienste, Pflegeplanung

3. Finanzielle Situation

  • Einforderung von Versicherungsleistungen, Bescheinigungen organisieren, Rechte
  • Zunehmende finanzielle Belastungen, Unterstützende Dienste, IV-Anmeldung (Invalidität)
  • Lebensunterhalt

Ernährung

Kalorien- und eiweissreiche Ernährung von grosser Bedeutung

Bei ALS-Betroffenen ist der Kalorienbedarf im Anfangsstadium der Krankheit oft gesteigert. Bedingt durch die Schwächung einzelner Muskeln müssen benachbarte Muskelgruppen deren Funktion übernehmen und dementsprechend mehr leisten.

Häufig wird beobachtet, dass das Hungergefühl nicht dem benötigten Kalorienbedarf entspricht, Hunger wird oft nicht als stark empfunden. So kann ein schleichender, kontinuierlicher Gewichtsverlust einsetzen, obwohl man sich gleich ernährt, wie zuvor.

Dies kann fatale Auswirkungen haben, denn Muskeln, die aufgrund der Krankheit ohnehin schon mehr leisten müssen, werden zusätzlich vom Körper zur Energiegewinnung «abgebaut». Geschieht dies alles bei einer ungenügenden Kalorienzufuhr, kann ein Gewichtsverlust entstehen. Betroffene erzählen dann oft, dass sie bei gleichen Essgewohnheiten plötzlich monatlich einige Kilogramm abgenommen haben. Häufig ist dieser Gewichtsverlust zusammen mit einem Schwächegefühl für etliche Patientinnen und Patienten erst der Grund, eine Fachperson aufzusuchen.

Zu einer ausgewogenen Ernährung gehört auch die ausreichende Zufuhr von Flüssigkeit. Nehmen Betroffene zu wenig Flüssigkeit zu sich, erhöht sich das Risiko für Muskelkrämpfe, Obstipation, Verstimmung, Müdigkeit, Schwindel und Thrombose.

Bei Schluckstörungen wird eine Umstellung der Ernährung und angedickte Flüssigkeiten empfohlen. Auch kalorienreiche Nahrungsergänzungsmittel können zur Deckung des Energiebedarfs eingesetzt werden. Dank logopädischer Massnahmen können Schlucktechniken erlernt werden, die das Schlucken erleichtern.

Perkutane Endoskopische Gastrostomie (PEG-Sonde)

Wenn im Verlauf der Erkrankung stärkere Schluckprobleme auftreten und der tägliche Energie- und Flüssigkeitsbedarf über die orale Zufuhr nicht mehr gedeckt werden kann, kann eine PEG-Sonde zum Einsatz kommen. Ein wichtiger Anhaltspunkt dafür ist das Körpergewicht. Eine PEG-Sonde ist insbesondere dann sinnvoll, wenn die betroffene Person kontinuierlich an Gewicht verliert, was in der Regel mit einem zusätzlichen – durch die Unterernährung bedingten – Kräftezerfall einhergeht.

In Studien konnte gezeigt werden, dass das Körpergewicht eng mit der Lebenserwartung korreliert. Patientinnen und Patienten mit stabilem Körpergewicht haben somit eine bessere Lebensqualität und eine höhere Lebenserwartung.

Am Kantonsspital St.Gallen steht ein erfahrenes Team zur Einlage einer PEG-Sonde zur Verfügung. Die Sondeneinlage wird in einem ausführlichen Gespräch zwischen Ärztin/Arzt und Patientin/Patient besprochen.

Atmung

Zu den Symptomen einer fortschreitenden ALS gehört eine Schwäche der Atemmuskulatur. Die Einschränkung der Lungenfunktion (respiratorische Insuffizienz) führt durch eine unzureichende Ventilation (Belüftung) der Lungen zu einem erhöhten Kohlendioxidgehalt im Blut. Eine Schwäche der Atemmuskulatur macht sich zunächst nachts bemerkbar.

Das Gehirn reagiert auf diese Kohlendioxidschwankungen sehr empfindlich. Die Schwächung der Atemmuskulatur führt zu einer raschen Ermüdbarkeit, morgendlichen Kopfschmerzen, fehlender Erholung während des Schlafes und vermehrter Tagesmüdigkeit. 

Mittels Lungenfunktionstests kann das Atemzugsvolumen und die Vitalkapazität festgestellt werden. Eine Polysomnographie gibt Auskunft über nächtliche Sauerstoffdefizite, Atempausen (Apnoen) und Aufwachreaktionen (Arousals).

Heimventilation

Ist die Atmungssituation abgeklärt (Lungenfunktionstest und Polysomnographie) kann eine grundsätzliche Entscheidung getroffen werden, ob eine Heimventilation gewünscht ist oder nicht. Eine Einschulung für die Heimventilation sollte in einem spezialisierten ALS-Zentrum erfolgen. Am Kantonsspital St.Gallen erlernen Betroffene und Angehörige den Umgang mit dem Gerät in wenigen Tagen. Die Geräte werden in der Handhabung immer einfacher und Unterstützung bietet auch die Schweizer Lungenliga. 

Im Muskelzentrum St.Gallen erfolgt die Heimventilationseinschulung häufig kombiniert mit der PEG-Einlage. So kann das Einlagerisiko minimiert werden und die Patientin oder der Patient kann dann immer noch selbst entscheiden, wann und ob die Heimventilation zuhause eingesetzt werden soll. Häufig verbessert sich dank der Heimventilation die Schlafqualität und damit auch Lebensqualität deutlich.

Morphin

Häufig wird Morphin zu sparsam und zu spät eingesetzt. Hilfreich ist eine gute Aufklärung über den Nutzen und die möglichen Gefahren, ebenso wie ein langsames, vorsichtiges Herantasten an die Morphintherapie. 

Hilfsmittel/Bauberatung

Teilweise reicht ein kleiner Umbau, um Mobilitäts-Barrieren zu Hause dauerhaft zu beseitigen. Trotzdem ist es unerlässlich, sich frühzeitig zum Thema «Wohnungsumbau» beraten zu lassen. Wir unterstützen Sie während der Pflegeberatung gerne auch in Bezug auf bauliche Fragen.

Weitere Information finden Sie unter folgenden Links:

Informationen zum Umbau und Hilfsmittel

Finanzielle Unterstützung

Die Diagnose ALS wirft viele finanzielle Fragen auf bezüglich AHV, IV, Hilfsmittel, Ergänzungsleistungen, Assistenzbeitrag, Betreuungsgutschriften, Steuererleichterung, Wartefristen und vielem mehr. 

Im Muskelzentrum am Kantonsspital St.Gallen verfügen wir über langjährige Erfahrung in der Betreuung von ALS-Patientinnen und Patienten. Gerne beraten wir Sie in Bezug auf finanzielle Fragen.

Patientenverfügung

Meist ist es sowohl für ALS-Erkrankte als auch deren Angehörige eine Erleichterung, wenn gewisse Massnahmen und Vorgangsweisen für den Notfall schriftlich festgehalten werden. Im speziellen Fall einer ALS-Erkrankung gilt es, die verschiedenen medizinischen Massnahmen (PEG, Beatmung, Reanimation, etc.) vorausschauend zu betrachten.

Dafür haben wir eine eigens an die Anforderungen der ALS-Betroffenen angepasste Patientenverfügung verfasst und diese auch unserer Ethikkommission vorgelegt. Diese Verfügung kann jederzeit revidiert und geändert werden.

Wir empfehlen Ihnen, die Patientenverfügung alle 6 Monate auf ihre Gültigkeit zu überprüfen, ggf. Änderungen vorzunehmen, zu datieren und zu unterzeichnen.

 

Film ab

Was geschieht, nachdem die Diagnose ALS gestellt wurde? Und weshalb ist die Pflegeberatung im Bereich der Amyotrophen Lateralsklerose so wichtig? Ursula Schneider Rosinger, Leiterin Pflege im Muskelzentrum, beantwortet in diesem Video 3 Fragen rund um die Pflegeberatung bei ALS-Betroffenen.